Die
bislang meist eingesetzten härtbaren Epoxid-Klebstoffsysteme
neigen besonders bei tiefen Temperaturen zur Versprödung. Eine
Alternative dazu bieten sogenannte toughened Epoxidharze. Der
toughening Effekt des Kautschuks wird mit endständingen
funktionellen Gruppen erreicht. Die Auswahl dieser Gruppen ist
entscheidend dafür verantwortlich, daß sich im Klebstoff
kautschukartige Gebiete ausbilden. Es entsteht eine zweite Phase. Bei
einer Klebstofformulierung mit niedrigem Kautschukgehalt bilden sich
einzelne Domänen mit Durchmessern von 1 bis 3 µm. Wird der
Kautschukgehalt in der Mischung erhöht, sinkt der
Partikeldurchmesser in der zweiten Phase.
Kriterien für den
toughening Vorgang werden anhand von spröden Epoxidsystemen
diskutiert. Die Charakteristika beruhen auf chemischen,
thermomechanischen und dielektrischen Untersuchungen. Die dielektrische
Meßtechnik hat sich für die Charakterisierung eines
toughened Systems als besonders geeignet erwiesen. Das Auftauchen eines
Relaxationspeaks im dielektrischen Spektrum kann als Flexibilisierung
durch überschüssigen Kautschuk gedeutet werden. Nur durch
sorgfältige Auswahl und Abstimmung sowohl aller Reaktionspartner
als auch der Prozeßbedingungen, kann eine Epoxidformulierung
gefunden werden, die den Extremtemperautren -40°C oder sogar
-65°C genügt. Überwiegender Einsatzbereich ist die
Automobilindustrie und die Luftfahrt.
An
Hochleistungsklebstoffe werden neben guter Verarbeitbarkeit immer
höhere Anforderungen gestellt. Die Endeigenschaftern eines
zähelastifizierten Epoxidsystems hängen entscheidend von der
Morphologie und dem Härtungsverlauf ab. Daher ist die Kenntnis der
Härtungscharakteristik und die Auswahl eines geeigneten
Härtersystems von enormer Bedeutung. Nur so kann ein Optimum an
mechanischer Stabilität und hohe Qualität des Endprodukts
erreicht werden. Die Morphologie kann bis zu einem gewissen
Zähelastifizierungsgrad mittels Rasterelektronenmikroskopie
erfaßt werden. Für die Charakterisierung des
Härtungsverlaufs hat sich die Thermoanalyse gut bewährt.
Bisher werden haputsächlich DSC, TMA und DMA zur
Härtungskontrolle eingestzt. Die DMA weist gegenüber der DSC
und TMA zwar größere Empfindlichkeit bei der Erfassung von
Vernetzungsdichte für toughened Klebstoffe auf; es gibt jedoch
kleine wichtige Unterschiede im polymeren Netzwerk, die mit keiner der
obenerwähnten Meßtechniken erfaßt werden können.
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Bild 1:
REM-Aufnahme des 2-Phasensystems
(1cm - 1µm)
Bild Comtech
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Materialien
Für die experimentellen
Arbeiten wurde ein flüssiges Epoxidharz auf Basis von Bisphenol-A
verwendet. Teilweise wurde das Harz mit einem langkettigen reaktiven
Verdünner versetzt. Die Härtung des Systems erfolgte mittels
eines Aminoamidhärters (H) oder eines Anhydridhärters (B) und
Beschleuniger. CTBN, ein flüssiger Kautschuk mit endständigen
Carboxylgruppen, kam als toughening agent zum Einsatz. Aus
verschiedenen Mischungsvarianten wurden Probekörper vorbereitet,
die dann nach externer Härtung analysiert wurden.
Härtungsparameter für Mischungen mit
Härter H: |
1 h / RT |
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3 h / 120°C |
Härter B: |
6 h / 85°C |
|
10 h/ 125°C |
Zur Charakterisierung wurden verschiedene analytische Verfahren eingesetzt und hinsichtlich ihrer Aussagekraft bewertet.
Meßtechniken
Folgende Meßtechniken wurden eingesetzt:
TGA
Die TGA (Thermogravimetrie) ermitelt den temperaturabhängigen
Gewichtsverlust eines Polymeren. Aus den Analysedaten läßt
sich die Temperaturbeständigkeit des Materials abschätzen.
DSC
Die Differenzcalorimetrie charakterisiert unter anderem den
Vernetzungsgrad eines duroplastischen Werkstoffs hinsichtlich der
Resthärtungsparameter. Daraus ableiten läßt sich die
optimale Reaktionszeit und -temperatur. Der ermittelte Kennwert ist in
erster Linie der Glaspunkt. Doch kleine Unterschiede im
Polymernetzwerk, die einen entscheidenden Einfluß auf die
Endeigenschaften des Klebstoffs haben können, werden mit der DSC
meist nicht erfaßt. Für sogenannte "finger prints " ist die
DSC eine weit verbreitete und empfehlenswerte Methode. Sie ist
ähnlich der TGA schnell und einfach durchzuführen. Die
Probenmenge ist gering (etwa 10mg). Vorliegende Versuche wurden bei
einer Heizrate von 20°C/min durchgeführt.
GT Härter H
auf 100 GT Harzkomponente |
GT CTBN |
TG-Punkt
(DSC) |
30
35
40 |
0 |
49°C
58°C
53°C |
30
35
40 |
10 |
61°C
66°C
58°C |
30
35
40 |
20 |
58°C
59°C
55°C |
Tabelle 1: Ergebnisse der DSC - Analyse |
GT CTBN |
α1 / unterhalb Tg / K |
α2 / oberhalb Tg / K |
0
10
20 |
62 x 10-6
68 x 10-6
77 x 10-6 |
170 x 10-6
185 x 10-6
200 x 10-6 |
Tabelle 2: Ausdehnungskoeffizient α verschiedener Klebstoffmischungen |
GT CTBN |
GT Härter H |
DMA - MAX tan δ |
0 |
30
35
40 |
76°C
79°C
77°C |
10 |
30
35
40 |
72°C
74°C
73°C |
20 |
30
35
40 |
71°C
74°C
73°C |
Tabelle 3: Einfluß der Härtermenge auf die Temperaturlage des mechanischen Verlustfaktors tan δ |
TMA
Die thermomechanische Analyse (TMA) ermittelt in erster Linie den
linearen thermischen Ausdehnungskoeffizienten a. Bekanntlich
beeinflußt die Zugabe eines toughening agent den Koeffizienten
sowohl qualitativ - hinsichtlich seines Temperaturverhaltens - als auch
quantitativ. Jedoch die Kenntnis von a erlaubt keine Aussagen über
das gebildete Harznetzwerk und damit über die
Zähelastifizierung.
DMA
Die dynamisch-mechanische Thermoanalyse bestimmt die viskoelastischen
Eigenschaften eines Materials. Diese Prüfmethode erlaubt im
Gegensatz zur DSC ein Erkennen von Sekundärübergängen im
Klebstoff. Da die bei polymeren Werkstoffen vorhandenen Relaxationen
auf molekularer Ebene sowohl durch Temperatur als auch durch Frequenz
beeinflußt werden, gelingt mit Hilfe der DMA eine Vorhersage
über mechanische Eigenschaften /2/.
REM
Die Rasterelektronenmikroskopie gibt nur Hilfestellungen bei der
Strukturaufklärung eines toughened Epoxid-Systems. Die
Auflösung des Mikroskops reicht nicht aus, um molekulare
Strukturen zu beobachten. Andere Meßtechniken sind daher
notwendig.
DEA
Die dielektrische Analyse (DEA) ist eine wichtige Alternative und
Ergänzung zu den bereits weit verbreiteten dynamischen
thermomechanischen Prüfverfahren. Da DEA für toughened
Epoxide im niedrigen Frequenzbereich zum ersten Mal eingesetzt wird,
bedarf es hier näherer Erläuterung. Geringe
Materialunterschiede wie beispielsweise unterschiedliche
Vernetzungsgrade werden bei dielektrischen Messungen deutlicher
sichtbar als bei thermomechanischen Prüfungen, da Dipole
empfindlicher auf elektrische Wechselfelder reagieren als auf
mechanische Wechselbeanspruchung.
Mischung |
DMA / tan δ
35 H |
DEA / ε"
35 H |
OGT CTBN
ohne Verdünner
mit Verdünner |
79°C
73°C |
135°C
120°C |
1OGT CTBN
ohne Verdünner
mit Verdünner |
76°C
72°C |
128°C
109°C |
2OGT CTBN
ohne Verdünner
mit Verdünner |
74°C
65°C |
108°C
92°C |
Tabelle 4:
Einfluß eines reaktiven Verdünners auf die Temperaturlage
des mechanischen Verlustfaktors und des dielektrischen Verlustes
ε" |
GT CTBN |
GT Härter H |
DEA
ε" -Max. |
0 |
30
35
40 |
130°C
135°C
132°C |
10 |
30
35
40 |
126°C
132°C
123°C |
20 |
30
35
40 |
105°C
108°C
106°C |
Tabelle 5: Maxima des dielektrischen Verlustes ε" für verschiedene Mischungsvarianten |
Theorie
Die dielektrische
Meßtechnik beruht auf der Ausrichtung von polaren Gruppen des
Polymernetzwerkes im elektrischen Feld. Die Analyse bestimmt die beiden
fundamentalen elektrischen Materialkenngrößen -
Kapazität und Leitfähigkeit - als Funktion von Zeit,
Temperatur und Frequenz. Unter der kapazitiven Eigenschaft eines
Materials versteht man die Fähigkeit elektrische Ladung zu
speichern; die Leitfähigkeit bedeutet den Transport elektrischer
Ladung. Noch mehr an Bedeutung gewinnen diese Kenngrößen
durch die Korrelation mit Bewegungsvorgängen auf molekularer
Ebene. Dies erlaubt dem Wissenschaftler Aussaen über den
Chemismus, das Fließverhalten (Rheologie) und
Relaxationsvorgänge (Molekül-Mobilität) /1/.
Die Messung kann einmal mit
einem "parallel plate sensor" durchgeführt werden. Während
der Messung bildet die bereits gehärtete Probe das Dielektrikum in
einem Plattenkondensator, an den ein elektrisches Wechselfeld angelegt
wird. Man verfolgt die Reaktion der Dipole im Polymermolekül
frequenz- und /oder temperaturabhängig.
Durch den Einsatz eines
sogenannten "single surface sensor" (Bild2) kann ein Vernetzungsvorgang
eines reaktiven Klebstoffes von der flüssigen Phase über
Gelzustand bis zum ausgehärteten Festkörper beispielsweise
unter isothermen Bedingungen verfolgt werden. Von der angesetzten
Harz/Härter Mischung wird ein Tropfen auf die Kammstruktur des
Sensors aufgebracht. Das sich zwischen den Leiterbahnen der
Kammstruktur ausbildende Feld dringt auch in Z-Richtung in den
Klebstoff ein und ermöglicht so den Meßvorgang (Bild 3) /3/.
Versuchsergebnisse
Sowohl die TGA als auch die DSC
sind einfach und schnell durchzuführende Analysemethoden, doch
für viele Fragestellungen zu unempfindlich. Trends bei den
Mischungsverianten waren meist mit Hilfe der DSC erkennbar, doch eine
Interpretation auf molekularer Ebene ist nicht möglich. Die
TMA-Untersuchungen zeigen ab 10 GT (Gewichtsteile) CTBN einen
Zusammenhang zwischen dem Ausdehnungskoeffizienten α des
Klebstoffs und dem Gehalt an CTBN. Diese Ergebnisse haben erhebliche
Auswirkungen auf die Einsatzbarkeit eines toughened Klebstoffs
hinsichtlich dessen Dimensionsstabilität. Die Ergebnisse der
DMA-Analysen (Prüffrequenz 1 Hz, Heizrate 2°C/min) liefern die
Temperaturgrenzen gleichbleibender mechanischer Eigenschaftswerte.
Unterschiedliche Härteranteile zeigten bei den untersuchten
Klebstoffvarianten nur wenig Auswirkung auf die Temperaturlage von
Max-tan δ.
Nach Zugabe eines reaktiven
Verdüners konnte mit Hilfe der DMA nur eine Verschiebung in der
Temperaturlage des mechanischen Verlustfaktors tan δ beobachtet
werden. Eine Unterscheidung zwischen Flexibilisierung und toughening
konnte erst mittels der empfindlichen Meßtechnik DEA getroffen
werden. Die Ergebnisse führten zu dem Schluß, daß ein
2-Phasen-System im Bereich von 10 - 30 GT CTBN vorliegen muß. Die
REM-Analyse lieferte über das entstandene Netzwerk Anhaltspunkte
(Bild 1). Erst die dielektrische Analyse (DEA erlaubte aufgrund ihrer
hohen Empfindlichkeit eine Interpretation des toughening Vorgangs. Die
bei einer Meßfrequenz von 50 Hz gefundened Maxima des
dielektrischen Verlusts sind in untenstehender Tabelle 5 für die
verschiedenen Harzzusammensetzungen aufgelistet. Die
Frequenzabhängigkeit von ε" ist in Bild 4 dargestellt.

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Bild 4: Frequenzabhängigkeit von ε" bei 20GT CTBN und 35GT Härter H
Graphiken: Comtech
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Resümee
Die Bruchenergie von
kautschukmodifizierten Epoxidharz-Anhydrid-Härter-Systemen wird um
Faktor 4 - 5 erhöht. Bis zu 10 GT CTBN pro 100 GT Epoxidharz ist
reiner toughening Effekt zu beobachten, das heißt das
Epoxidsystem wird zähelastifiziert unter Beibehaltung der
Dimensionsstabilität. Sowohl der Tg-Punkt als auch der
Ausdehnungskoeffizient werden nur minimal beeinträchtigt. Wir
vermuten stark, daß CTBN bis zu 10 GT ausschließlich in die
hetetrogene Phase (Epoxid-Anhydrid-Kügelchen) eingebunden wird.
Bei zunehmendem CTBN-Gehalt tritt neben der Zähelastifizierung
auch Flexibilisierung ein, was durch das Erscheinen von
Relaxationspeaks im DEA-Spektrum (Bild 5) erkennbar ist. Für den
Einsatz im Tieftemperaturbereich ist ein bestimmter
Flexibilisierungsgrad des `toughened' Epoxidharzes erforderlich. Dank
der empfindlichen DEA-Technik ist dieser Zustand der Flexibilisierung
gut erfaßbar. Eine so ermittelte Klebstoffvariante erfüllt
die Anforderung (-55°C/125°C) im Termperaturschock.

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Bild 5: Zähelastifizierung beziehungsweise Flexibilisierung je nach CTBN-Gehalt |
Literatur
/1/ |
DEA-Prospekt: DuPont 2970 dielectric Analyzer, U.S.A.
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/2/ |
DuPont DMA-983 Prospekt
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/3/ |
Dipl.-Ing.
Andreas Gati; Prozeßoptimierung und Qualitätssicherung durch
Aushärtungskontrolle mit einem dielektrischen Sensor; Vortrag 22.
AVK-Tagung in Mainz, Mai 1989
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Christa Pflugbeil und Dr. Amir Hussain sind beide
Geschäftsführer der Comtech, Labor für Kunststoffe GmbH,
München
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